Joseph Roth und der Film

Das Verhältnis Joseph Roths zum modernen Medium Film war, wie so vieles in seinem Leben, zwiespältig. In "Hotel Savoy", "April", "Der stumme Prophet", "Die Flucht ohne Ende" und "Tarabas" etwa geht es zumeist um den verderblichen oder irreführenden Einfluss des Mediums an sich bzw. der ganzen Film- und Kinobranche. In seinem Essay "Der Antichrist" wetterte Roth gegen Hollywood, [den] Hades des modernen Menschen, und sah im Kino defätistisch Die Heimat der Schatten. Fritz Hackert ("Kulturpessimismus und Erzählform", 1967), Dietmar Mehrens ("Vom göttlichen Auftrag der Literatur", 2000) und Klaus Westermann ("Joseph Roth, Journalist", 1987) haben sich aus verschiedenen Blickwinkeln dieses Themas angenommen (siehe unter Bibliografie).
Auf der anderen Seite arbeitete Roth in seinem letzten Lebensjahr gleich an drei Drehbüchern gleichzeitig. Eines von ihnen trug den Arbeitstitel "Der letzte Karneval in Wien". Doch damit nicht genug: Wenig fehlte und Roth wäre selbst in den "Hades" gefallen und hätte in Hollywood eine Karriere als Filmautor gemacht. Ausgerechnet eine Filmdiva, ein Typ Frau, der in Roths Werk (als Beispiel erwähnt sei nur "Der stumme Prophet") nicht besonders gut wegkommt, hatte dem in materielle Not geratenen Schriftsteller angeboten ihm die Reise nach Amerika zu bezahlen: Marlene Dietrich. Doch es sollte nicht mehr so weit kommen.
Die großartigen, aufwändigen Verfilmungen vieler seiner Werke, vor allem in den siebziger und achtziger Jahren, hat Roth nicht mehr erlebt. Dafür trugen sie wenigstens keine amerikanische Handschrift (den vage von "Hiob" inspirierten, 1936 entstandenen US-Streifen "Sins of Man" von Otto Brower hielt Roth, wie der ungarische Filmemacher Geza von Cziffra zu berichten weiß, für eine Katastrophe ersten Ranges), sondern eine sehr österreichische. Denn einige der besten österreichischen Regisseure leiteten die Dreharbeiten. Und einige der bedeutendsten Darsteller aus der Alpenrepublik wirkten mit.
Sogar der Sprung in das Medium Comic, die "neunte Kunst", ist Roth gelungen. Die kleine Wiener Comic-Verlags-GmbH, Herausgeber des Fachmagazins Comic-Forum, sorgte Anfang der Neunziger mit dem Schwarz-weiß-Album "Die Memoiren des Mr. Griffaton" für die deutsche Fassung einer stimmungsvollen Comic-Geschichte nach Motiven aus "Hotel Savoy". Ob Roth Gefallen daran gefunden hätte?

Verfilmungen von Romanen und Erzählungen im Überblick

  • "Die Rebellion" (1962) – dt. Fernsehfilm (s/w) von Wolfgang Staudte. Mit Josef Meinrad, Ida Krottendorf, Fritz Eckhardt.
  • "Radetzkymarsch" (1965) – österr.-dt. Fernsehfilm (s/w) in drei Teilen von Michael Kehlmann. Mit Leopold Rudolf, Helmut Lohner, Walter Sedlmayr.
  • "Die Geschichte der 1002. Nacht" (1969) – dt. Fernsehfilm in zwei Teilen von Peter Beauvais. Mit Walter Reyer, Johanna Matz, Dietmar Schönherr.
  • "Trotta" (1971) – dt. Spielfilm von Johannes Schaaf nach Motiven des Romans "Die Kapuzinergruft" (Drehbuch: Johannes Schaaf und Maximilian Schell). Mit András Bálint, Rosemarie Fendel, Doris Kunstmann.
  • "Das falsche Gewicht" (1971) – dt. Spielfilm von Bernhard Wicki. Mit Helmut Qualtinger, Agnes Fink, Evelyn Opela.
  • "Stationschef Fallmerayer" (1975) – dt.-österr. Spielfilm von Walter Davy. Mit Helma Gautier, Wolfgang Hübsch, Martina Poyer.
  • "Hiob" (1978) – österr.-dt. Fernsehfilm in drei Teilen von Michael Kehlmann. Mit Günter Mack, Martha Wallner, Despina Pajanou.
  • "Tarabas" (1981/82) – österr.-dt. Fernsehfilm in drei Teilen von Michael Kehlmann. Mit Helmut Lohner, Günter Mack, Klausjürgen Wussow.
  • "Flucht ohne Ende" (1985/86) – dt.-österr. Fernsehfilm in drei Teilen von Michael Kehlmann. Mit Helmut Lohner, Mario Adorf, Peter Weck.
  • "La leggenda del santo bevitore" (1988) – italien.-franz. Spielfilm nach der Novelle "Die Legende vom heiligen Trinker" von Ermanno Olmi. Mit Rutger Hauer, Anthony Quayle, Sandrine Dumas.
  • "Das Spinnennetz" (1989) – dt. Spielfilm von Bernhard Wicki. Mit Ulrich Mühe, Klaus Maria Brandauer, Armin Mueller-Stahl.
  • "Die Rebellion" (1993) – österr. Fernsehfilm von Michael Haneke. Mit Branko Samarovski, Judit Pogány, Thierry van Werveke.
  • "Radetzkymarsch" (1993/94) – österr.-franz.-dt. Fernsehfilm in drei Teilen von Axel Corti und Gernot Roll (Axel Corti verstarb vor Ende der Dreharbeiten). Mit Max von Sydow, Charlotte Rampling, Julia Stemberger.


Inzwischen sind fast alle hier genannten Verfilmungen auf DVD erhältlich. Nutzen Sie, wenn Sie mehr wissen möchten, die Amazon-Infosäule rechts.

Erwähnenswert sind ferner drei TV-Dokumentationen über Joseph Roth. Susanne Bauschs 45-minütiger Beitrag "Ich zeichne das Gesicht der Zeit", 1989 produziert für den SDR, gibt anhand vieler Ausschnitte aus den oben genannten Filmen einen Überblick über das Schaffen des Dichters. Der ebenfalls 45 Minuten lange Film "Reise nach Brody: Auf den Spuren von Joseph Roth" von Egon Humer porträtiert Brody, Roths ostgalizischen Geburtsort, und das Leben der jüdischen Bevölkerung von einst im Kontrast zum Leben in der zur Ukraine gehörenden Stadt heute. Die ORF-Produktion stammt aus dem Jahre 1993. Hans Kellers für den SFB in Kooperation mit Arte entstandenes Porträt "Das Wichtigste ist das Beobachtete: Joseph Roth (1894-1939)" von 1994 schließlich stellt, ausgehend vom Pariser Exil des Dichters, in neunzig aufwändig gestalteten Filmminuten Roths Lebens- und Leidensweg in den Mittelpunkt.

Comic-Adaption

  • Die Memoiren des Mr. Griffaton. Kapitel 1: "Nach dem Krieg". Zeichnungen: Ruben Pellejero; Text: Jorge Zentner (nach Motiven des Romans "Hotel Savoy"). (Reihe Comicothek) Wien: Comic Verlagsgesellschaft m.b.H. 1990. S. 3-18.

 

 

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